Der Traum:
  Versuch der phänomenologischen Annäherung
unter Berücksichtigung anthropologischer Prämissen
   
 
Ein Übungsseminar zum besseren Verständnis
der eigenen Traumwelt
 

 

 
Übungsseminar von Helmut Windisch
 
 
 
Eine alleinstehende attraktive Frau liegt in ihrem Bett, schläft tief und träumt dabei:
Sie richtet sich gerade zum zu Bett gehen. Als sie jedoch in ihrem Schlafzimmer das Fenster schließen will, entdeckt sie, wie ein nackter muskulöser Schwarzer die Fassade des Hauses hochklettert. Verwirrt dreht sie sich um, beginnt nervös im Zimmer auf und ab zu gehen, hofft dabei, der Schwarze möge an ihrem Fenster vorüberklettern... Als jedoch der Schwarze das Fenstersims erklimmt, packt sie endgültig die Angst. Sie flüchtet sich ins Bett und deckt sich schützend bis zum Hals zu.
Der Schwarze nähert sich langsam dem Bett.
In ihrer Panik schreit sie ihn an: "Um Himmels Willen, was wollen Sie denn von mir?"
Zuckt der Schwarze mit den Schultern: "Woher soll ich das wissen, Sie träumen ja!"
   
 
Wie der Grund zur Heiterkeit durch den Witz schon zum Ausdruck bringt, offenbart die Betrachtung eines Traumes eine eigentümliche und fremdartige Spannung zwischen unserem Wachbewußtsein und dem Schlafbewußtsein. Bereits in der Etymologie findet sich diese in der historischen Begrifflichkeit des Altgermanischen wieder, wonach der Terminus träumen dem „Täuschen“ (eventuell auch „weltfremd“) entspringt. Letzteres scheint auch der obigen Träumerin zu widerfahren: Die Szenerie der befürchteten Bedrohung ist eine Schöpfung ihrer Selbst, eine Erkenntnis, welche eine/einem LeserIn dazu animiert, assoziativ unbewußte Wünsche und unerfüllte Sehnsüchte als Gründe für das Entstehen dieses Traumbildes anzunehmen.
   
   
  Voranmerkung
   
 
Der Traum ist seinem eigentlichen Wesen nach in Unterscheidung zu Phantasien, Tagträumen und anderen hypnoiden Verfassungen, an den Schlaf gebunden. Wie die Schlaf- und Gehirnforschungen der vergangenen Jahrzehnte aufzuzeigen vermochten, ist der Schlaf somatologisch mit einer Herabsetzung der Aktivität der inneren Organe einhergehend, welches als Voraussetzung für physische und psychische Erholung und Revitalisierung gewertet wurde. Insbesondere die mit den Schlafphasen einhergehenden Veränderungen des Bewußtsein, von Bewußtlosigkeit bis zum Träumen, schien die Theorie der täglichen Passivierung des Menschen zu stützen. In den letzten Jahren rückte jedoch vermehrt die Frage der Bedeutung des Schlafes in den Vordergrund, wurde doch experimentell bewiesen, daß aus streng naturwissenschaftlicher Sicht sich physiologisch keine plausible Begründung für dessen zwingende Notwendigkeit auffinden läßt. Andererseits, wenn ein Mensch mehrere Tage am Schlafen gehindert wird, droht sukzessive das Ausbrechen einer Psychose.
Der vermutete Zusammenhang von Traum und Schlaf erhält dadurch eine neue Bewertung, die von der gegenwärtigen Gehirnforschung insofern gestützt wird, da nach derzeitigem Wissen im Schlaf zwar tatsächlich eine Veränderung als Herabsetzung der allgemeinen Organtätigkeit als gegeben zu erachten sind, letztere jedoch nicht für die Gehirnaktivität diagnostiziert werden können. Die Forschungsergebnisse scheinen sogar soweit zu reichen, daß bereits einige Autoren ihre dringende Vermutung publizierten, daß sich während des Schlafes die Gehirnaktivität zwar tatsächlich verändert, diese aber eine allgemein höhere Aktivität als im Wachbewußtsein zu erreichen scheint.
Die richtungsweisenden Annahmen eines Zusammenhangs mit der Notwendigkeit zum Träumen erfahren eine Evaluierung, sind aber nach derzeitigem Wissen noch nicht als gesichert anzusehen.
   
  „Der Traum ist eine allgemeine und alltägliche menschliche Begebenheit“
   
   
 
WISSEN und Begriffliches Denken
Versus
ERLEBEN und bildliches Denken.
   
 
Der evolutionsgeschichtlich basale Teil des Gehirns, das limbischen System, verbindet im wesentlichen die getrennten Hemisphären des Zentralnervensystem. Die Differenzierung der komplexen somatologisch-biogenen und psychogenen Prozesse begründen die Auffassung, daß die Hemisphären zwar eine organische Einheit bilden, jedoch im Eigentlichen zwei Gehirne darstellen (Watzlawick, Jackson). Daher ergibt sich das Verständnis, daß wir im gegenwärtigen Eindruck jeweils auch zwei voneinander unabhängige Wahrnehmungen gleichzeitig vorfinden. Vereinfacht ausgedrückt:
(Sinnliche) Erfahrung = rechts -hemisphärisch, Wissen = links –hemisphärisch
Links-hemisphärisch das Faktische, das Wissen, das Abstrakte, das Quantitative,
rechts-hemisphärisch das Emotionale, das Qualitative, die Sichtweise des Faktischen, das Wie als Erleben.
   
 
Wissen = Die Erde ist eine Kugel und kreist um die Sonne
Erleben = Die Welt steht still, ist flach und unbegrenzt
   
 
In jeder Wahrnehmung existieren zeitgleich jeweils zwei Wahrheiten
   
 
Die unterschiedlichen kulturellen Sichtweisen zur Übung dereflektorischer Betrachtung
   
 
Kulturhistorische Betrachtung von Einstellungen zum Traum:
   
 
Die erste philosophische Überlieferung der Annahme eines vorhandenen Unbewußten stammt von Plato: „Der Sitz der Seele ist die Leibesmitte, woraus der Traum aus deren „Inneren“ aufsteige“. Die Begründung des „Rationalen Denkens“ durch Aristoteles erwächst parallel zum kulturellen Kontext des institutionalisierten Orakels.
Bei Assyrern und Babyloniern wird der Umgang mit Träumen als hohe Kunst kultivierter Zukunftsdeutung gewertet: Durch die Deutung erwächst eine individuelle Aufgabenstellung.
   
 
Im alten Ägypten gilt der Traum als Botschaft der Gottheit und bietet daher eine Orientierungs- und Handlungsrichtlinie gegen Schicksalsschläge. (Z.B: „Josef und seine Brüder“)
   
 
Im europ. Mittelalter wird der Traum häufig charakterisiert als vorwiegend unheilsprophetische Kunde, sündige antichrist-liche Offenbarung, als Leidens- oder Versuchungsankündi-gung, die im Wachbewußtsein der Überwindung bedürfen. Z.B. befahl ein König die Hinrichtung eines Bauern, nachdem er hörte, daß dieser geträumt hatte den König zu ermorden.
   
 
Übung:
Welche Einstellungen und Umgangsarten finden wir in der Gegenwart?
   
 
Lexikale Kurzbeschreibung als Demonstration der heutigen allgemeinen Kultursicht:
„Märchen- und mythenähnliche Phantasieerlebnisse, die sich auszeichnen durch akustische, optische und leibliche Sensationen. Vorherrschend, unter Emotionen, zeigt sich eine veränderte oder mangelhafte Grenze zwischen Ich und Welt, unklare Orts- und Zeitbegriffe mit mehrdeutigen oder vieldeutigen Assoziationsinhalten. 3-6x pro Nacht auftretend.“
Aus: „Lexikon der Psychologie“ 1999
   
 
Diese lexikale Definition beschreibt das Traumgeschehen vom Standpunkt des Wissens, ist als solche eine links-hemisphärische Aussage. (bei Linkshändern umgekehrt).
   
 
Übung:
Wie könnte eine allgemeine Beschreibung aus dem Erleben lauten?
   
 
Welches Weltverständnis und welches Erleben kommen zum Ausdruck?
   
 
Thales von Milet, 6 Jhdt. v. Chr., Philosoph und Fischer, soll nach einer Ausfahrt zurückgekommen sein und behauptet haben: „Alles Leben kommt aus dem Wasser“.
   
 
Die Bibliothek von Alexandrien in Ägypten: Ein Philosoph vergleicht nach dem Lesen über die Länge eines mittäglichen Schattens, diese mit dem Schatten des Bibliotheksbrunnens. Da dieser von der Beschreibung abweicht, beauftragt er einen Sklaven zu dem im Buch bezeichneten Brunnen zu gehen und dabei genau seine Schritte zu zählen.
Auf dieser Basis gelangte er zu der neuen Erkenntnis, daß die Welt eine Kugel sein muß.
   
 
Von Archäologen wird Jericho als älteste noch bewohnte Stadt der Welt und als paradigmatischer Beginn der Seßhaftigkeit des westlichen Menschen bezeichnet. Die Gründung der ursprünglichen Niederlassung durch Nomaden in der Wüste wurde auf das Vorhandensein mehrerer Quellen zurückgeführt. „Der Mensch wurde wegen einer vorherrschenden langandauernden Dürre seßhaft, die eine Änderung der Lebensgewohnheiten erzwang“, lautete bis dato die allgemein geltende Vorstellung.
Wie durch differenzierte Forschungsmethoden jedoch vor Kurzem nachzuweisen war, erfolgte die Gründung der Niederlassung in einer fruchtbaren und krisenfreien Epoche, aus der auch die ältesten Funde kunsthandwerklicher Figuren stammen.
   
  Stephen Hawking: Der Newton–Lehrstuhlinhaber und Astrophysiker veröffentlichte bei seinem Vortrag in Schottland im Sept. 2000 das Ergebnis seiner langjährigen Forschungsarbeit. „Der Menschheit werden infolge der anthropogenen und irreversiblen globalen Erwärmung in wenigen Jahrhunderten ihre biologischen Lebensgrundlagen entzogen sein. Sollte ein Interesse an einem Fortbestand der Menschheit bestehen, ist der sofortige Beginn struktureller Maßnahmen für die Evakuierung des Planeten erforderlich.“
   
 
Traumtheorien im Kontext der „wiener schulen“
Freud, Adler u. Frankl
   
 
Sigmund Freud (1856-1939), Psychoanalyse
   
 
Im Vorfeld der Traumtheorie steht die Auseinandersetzung Freuds mit der Krankheit Hysterie und deren Behandlung durch methodisches Vorgehen mittels Hypnose, die die Widersprüchlicheit der von Patienten im Wachbewußtsein angegebenen Motive offenlegte.
Als Mediziner mit Interesse an neuropathologischen Phänomenen wagte Freud den Versuch der systematischen Erforschung von Träumen, die er in seinem 1900 veröffentlichten Werk „Die Traumdeutung“ - von ihm selbst als sein bedeutendstes Werk bezeichnet - der medizinischen Fachwelt präsentierte. (Dieses fand allerdings um die Jahrhundertwende keine Beachtung)
Geprägt vom naturwissenschaftlichen Rationalismus, u.a. dem Darwinismus, sah er den Menschen als hoch- und weiterentwickeltes Tier. Die Motive seines Handelns gründen auf Triebe, die durch Sublimierung (=„Umlenkung“ von Trieben) den Menschen, in Unterscheidung zu anderen Tieren, zu hochwertigen Leistungen befähigt und als solches die Kultur hervorbringen.
Demnach stellt der Triebverzicht, erlebt als Spannung zwischen sich und der Welt, das größte Problem des Menschen dar. („Ödipuskomplex“)
Als zentrales Prinzip wirkt die Homöostase zwischen Triebspannung und Triebbefriedigung, verursacht durch die generierte Kraft der Libido, als Triebhaftigkeit von Sexualität und Erotik. Die Liebe als Phänomen des Geistigen ist nach Freud nicht ein solches, sondern bloß ein Epiphänomen regenerierter Energie, deren „Anstauung“ die Quantität von Wünschen erhöht.
 
Sigmund Freud: „Der Traum ist eine Wunscherfüllung“
   
 
Jedoch durch das Über-ich, eine zensurierende Instanz, die die durch die Kultur und die Umwelt auferlegten Verbote überwacht, dürfen solche Triebinhalte und Triebimpulse nicht ins Bewußtsein gelangen, sodaß diese sich nur maskiert und larviert zeigen.
   
 
Der manifeste und latente Trauminhalt
   
 
Aus Freuds naturwissenschaftlicher Sicht beschreibt er vorerst das eigentliche Traumgeschehen, den manifesten Traum, als einen, aus sog. vegetativen und neurologischen Körpersensationen und erinnerten Tagesresten beeinflußten Vorgang. Gleichzeitig dominieren im Traum die unbewußten verbotenen Wünsche, gegenwärtiger und/oder früherer, oft bis zur Kindheit zurückreichender unbewältigt gebliebener konflikthafter Erlebnisse in veränderter Form, als Traumhandlung.
Um zum Eigentlichen, dem dem Bewußtsein verborgenen latenten Trauminhalten vorzudringen und um die vorwiegend unbewußten erotischen und sexuellen Ambitionen und Bedeutungen des Triebverzichts zu verstehen, bedarf es bei der Traumarbeit einer Deutung.
   
 
Die Veränderungen vom latenten Inhalt zum manifesten Traum entstehen durch die Primärprozesse der Verdichtung, Verschiebung und sekundären Bearbeitung.
   
 
Verdichtung:
1. Die Kombination verschiedener Elemente, die nach ihrem emotionalen Gehalt identisch sind, zu einem einzigen Symbol. (Z.B. Stimme des Vorgesetzten und Mimik des Vaters in einer Person)
2. Von größeren Zusammenhängen zeigt sich nur ein kleiner Teil im manifesten Traum.
   
 
Verschiebung:
Wichtige Dinge zeigen sich auf Grund des aktiven Über-Ichs bloß als Nebensächlichkeiten
   
 
Sekundäre Bearbeitung:
Beschreibt die unbewußten Veränderungen des Traumes beim Wiedererzählen.
   
 
In Anlehnung an seine Erfahrungen bei der Anwendung von Hypnose, entwickelt er die Methode der Freien Assoziation: Die im Wachbewußtsein zum manifesten Traum unmittelbar auftauchenden „freien“ Einfälle und die in das Bewußtsein gebrachten Zusammenhänge, offenbaren die zentrale Bedeutung des Traumes. Die Konfrontation soll zu einer inhaltlichen Bewußtwerdung führen, neue Einsichten und Verstehen ermöglichen. „Dort wo ES (=Unbewußtes) ist soll ICH (=Bewußtes) werden“, gilt als Imperativ, welchen Freud als unumgängliche Voraussetzung für Überwindung psychischen Leidens wertete.
   
 
„Die Wahrheit heilt“
   
 
Traum -Beispiel: Aus: „Die Traumdeutung“, 1900, .„I arrange flowers in a center of a table...“
   
 
Alfred Adler (1870-1937), Individualpsychologie
   
 
Der Psychologe und Psychiater gerät mit der Anthropologie Sigmund Freuds durch seine unterschiedliche Auffassung und Skepsis gegenüber dem Absolutheitsanspruch der Triebtheorie in einen unüberwindbaren Konflikt: Im Unterschied zu Freud betont Adler, daß der Mensch nicht als solipsistisches, als in sich abgeschlossenes Wesen auf die Welt trifft, sondern vorerst als soziales Wesen zu verstehen sei.
Die erste bewußte Erfahrung, die die Verhaltensweise des Kindes prägt, ist jene der Hilflosigkeit, woraus die Einwilligung in Erfordernisse der Anpassungen erwächst, da der Mensch andere Menschen für sein Leben in Unbedingtheit braucht und dieses Kriterium in Hinblick auf seine Lebensziele bestehen bleibt.
Das menschliche Grundstreben liegt nicht bloß in seiner Triebbefriedigung, sondern in der Erhaltung des Eigentlichen: dem
   
 
Gemeinschaftsgefühl
   
 
Die anthropologisch-philosophische Grundlage der Individualpsychologie ist die Idee der „Gleichwertigkeit“ aller Menschen, die ihren Ausdruck durch die soziale Anpassung und deren „Nützlichkeit“ findet. Für den Menschen ergibt sich ein Spannungsfeld zwischen seinen Anpassungsmöglichkeiten und den Lebensaufgaben, die sich in Einstellungen und Handlungen des Individuums zu „Gemeinschaft, Beruf und Liebe“ auffinden lassen.
   
 
Die Entstehungsursache der Neurose sieht Adler durch individuelle Erfahrungen während der Entwicklung zur Sozialisation in der Kindheit begründet: Unüberwunden gebliebene Hilflosigkeit und erleben der Bedürftigkeit als Schwäche und Ohnmacht, führen den Menschen insofern zu einer Fehlanpassung, als er versucht, seine, für ihn selbst jedoch unumgängliche Verantwortung zu delegieren.
Dem individuellen Defizit in der sozialen Orientierung liegt ein Minderwertigkeitsgefühl zugrunde, dessen Erfühlen das Individuum kompensatorisch mit Formen der Macht auszugleichen oder zu vermeiden versucht. Daher, nach dem Verständnis Adlers, ist die Neurose als ein Mittel anzusehen, wodurch die kompensierende Person durch ein Arrangement zwischen sich und seiner ihn umgebenden Sozietät einen Vorteil, den sog. „Krankheitsgewinn“ aufrecht erhalten will.
   
 
Die Ursachen von Fehlanpassungen:
   
 
1. Verwöhnung des Kindes .....................................führt zu Mangel an Selbstwerterfahrung
 
2. Haßgeprägtes Verhalten gegenüber dem Kind...........führt zu emotionaler Überforderung
 
3. „Organminderwertigkeit“
als Ursache von Minderwertigkeitsgefühlen (z.B. „subjektive Empfindungen wie „abstehende“ Ohren, „dicke“ Beine, etc.“), aber auch als psychisch-körperliche Folge der Dynamik von unbewältigtem psychischem Leiden. (heutige Bez.: Psychosomatik)
   
 
Die Kommunikation mit einem neurotischen Menschen ist charakterisiert durch dessen „Private Logik“ und der Erkennbarkeit der „Leitlinie“ (heutige Bez.: psychologisch: „Coping“, phänomenologisch: „Antwortverhalten“):
   
 
„Private Logik“: = Orientierungs- und Handlungs-rechtfertigung durch scheinbar „logische“ Argumentation. (Z.B.: „Dauerhafte Beziehung hat keinen Sinn, weil jede Ehe geht ohnehin den selben Weg der Gewohnheit. Deshalb lasse ich mich auf eine verbindliche Beziehung nicht ein.“)
   
 
„Die Leitlinie“: = Zeigt sich in der Ausübung einer der Formen von Macht, als gleichen Umgang bei inhaltlich jeweils gleichen Themen. (Z.B. durch Rückzug, Bekämpfung, Ignoranz, Verweigerung, Schweigen, aber ebenso durch „Entgegenkommen“, „Freundlichkeit“, etc. und durch konkrete Forderungen zwecks Verantwortungsvermeidung und dem daraus resultierenden „Krankheitsgewinn“.)
   
 
Liegt die Bedeutung des Traums bei Freud in dem Thema „Triebe und deren Befriedigung versus der Welt“, so läßt sich durch die Erkenntnisse von Adler ergänzen:
   
 
Der Traum offenbart die sozialen fähigkeiten und deren Bedingungen
   
 
Wach- und Schlafbewußtsein beinhalten im Erleben das Persönliche: Der individuelle Umgang mit den Gegebenheiten des Lebens offenbaren die jeweilige antwort. Somit ist die „Verantwortungslosigkeit“ lediglich als fehlende Wahrnehmung der Bedeutung des eigenen Tuns zu verstehen.
   
 
Adler ergänzt bereits die naturwissenschaftlich- medizinischen Grundlagen der Psychoanalyse, mit philosophischen Erkenntnissen und fokussiert, im Sinne der Unausweichlichkeit einer Antwort, bereits die bewußte Gestaltung des eigenen Lebens und der Welt als Wirklichkeit. Der Zugang zur Innerlichkeit findet sich, anstelle eines bei Freud konstituierten erlernten „Über-ichs“ von kulturabhängigen moralischen Gesetzen, in der Zuwendung und Wahrnehmung des Gewissens.
   
 
Für das Traumverständnis ist also nicht die Deutung, sondern das Bewußtsein des eigenen Umgangs, als getroffene Entscheidung für das Handeln, maßgeblich:
   
 
Traum - Beispiel: Nr.8, (s.S. 22)
Serientraum: „Liege in meinem Bett und....“
   
 
Viktor Frankl (1905-1997), Existenzanalyse & Logotherapie
   
 
Psychiater und Schüler Adlers, wird von Adler gemeinsam mit Oswald Schwarz und dem Philosophen Rudolph Allers wegen Meinungsdivergenzen über die Bedeutung der Ontologie, der Lehre des Seins für die Psychotherapie, von der Individualpsychologie ausgeschlossen:
„Die Neurose ist nicht nur ein Mittel, sondern auch Ausdruck der existentiellen Befindlichkeit des Menschen“. In Ergänzung zur These der Unumgänglichkeit und Unbedingtheit individueller Verantwortung lautet seine anthropologische Prämisse:
   
 
Der Mensch ist frei
   
 
Die Freiheit selbst ist ontisch und trotzdem durch Beobachtung und empirisch nicht nachweisbar, sondern lediglich innerweltliche Gewißheit: Das Wissen darum, jeweils auch anders handeln zu können.
Im Hinblick auf die Triebtheorie Freuds trifft Frankl die Aussage: Natürlich ist der Mensch ein Tier, aber eben nur somatologisch. Was den Menschen vom diesem aber unterscheidet ist nicht nur das Vorhandenseins eines Bewußtseins -selbst darüber verfügen höher entwickelte Tiere-, sondern das Konstitutiv der Person, deren Charakteristika die Geistigkeit ist, welche Frankl als Existentialien beschreibt:
   
  1. Freiheit
  2. Selbstdistanzierung
  3. Selbsttranszendenz
   
 
Die Person steht im Leben sich selbst und der Existenz der Andersheit als phänomenal-objektiven Welt, dem Dasein gegenüber, in dem sich der Mensch Zeit seines Lebens in jeweiligen Bedingungen und Situationen vorfindet.
Daher ist die Freiheit des Menschen keine absolute, sondern eine bedingte, die ihren Ausdruck in der Fähigkeit zur Entscheidung und zur Selbstdistanzierung findet: Die Person kann sich von inneren wie äußerlichen Phänomenen distanzieren, sich dagegen oder dazu stellen, welches jeweils aus einem Grund geschieht. Durch den Akt der Selbsttranszendenz bringt der Mensch seine getroffene Entscheidung zur Welt, „-in die Welt hinein“.
Anthropologisch betrachtet hat der Mensch Triebe und soziale Welt, ist aber weder triebgebunden noch sozialdeterminiert:
Seine persönlichen Erfahrungen während der Inhaftierung im Konzentrationslager führten radikal zur Infragestellung der philosophischen und psychologischen Grundlagen sowohl der Trieb- als auch der Sozialtheorie: Die internierten Menschen waren in diesen extremsten Bedingungen permanenter Entwürdigung, Hoffnungslosigkeit, Aussichtslosigkeit und Vernichtungserwartung leichter am Leben gehalten, wenn sie hierfür einen Grund hatten: Entweder, wenn
   
  1. jemand „draußen“ auf ihre Wiederkehr wartete oder
  2. für sie noch ein Werk zu vollenden war.
   
 
Die tiefe Intentionalität des Menschen unterliegt nicht einem Willen zur Lust (Freud) und auch nicht bloß einem Streben nach Gemeinschaft und dessen Kompensation der Defizität durch den Willen zur Macht (Nietsche, Adler), sondern findet ihren Ausdruck im
   
 
Willen zum Sinn
   
 
In existenzphilosophischer Ergänzung der anthropologischen Prämissen konkretisiert Frankl den Willen zum Sinn als Strebung sein Leben zu erfüllen: Im Allgemeinen lebt der Mensch in präreflexiver Selbstverständlichkeit seiner Verwirklichung von Werten auf die Welt hin, welches jeweils von psychischen Qualitäten begleitet ist. Gelingt Sinnhaftes, so folgen der Wertverwirklichung positive Gefühle. Erst der andauernde Verlust von Sinnorientiertheit, mangelndem Erleben und innerer Leere begründen das Existentielle Vakuum, welches für den Menschen die Gefahr eröffnet, sich zweckhaft zu orientieren oder kompensatorisch das Spektrum zur Verfügung stehender Stimuli, wie angenehme Reize, von sich und der Welt zu gebrauchen.
Sinnerfüllung ist werteimplikativ und daher nicht substituierbar: „Sinn kann niemals verordnet werden, weder von der Welt noch von sich selbst, sondern nur jeweils von der Person selbst gefunden werden“. Alles andere ist ein Abstandnehmen vom eigenen Gewissen zugunsten konformistischer oder totalitärer Fremdorientiertheit als Sinnkonstrukt.
   
 
Die Neurose ist ein Verlust von Freiheit
 
 
In Weiterentwicklung zur Theorie Adlers nennt Frankl den Weg zur Bewältigung der Neurose, um in Freiheit authentisch, in Übereinstimmung mit sich selbst, handeln zu können, Analyse zur Existenz: Die phänomenologische Analyse mit der Zielsetzung der personalen Verwirklichung von Werten. Als Grundlage individueller Entwicklung dient die personale Beziehung und der gelebte lebendige Dialog.
   
 
Die theoretischen Grundlagen für das Traumverständnis
   
 
Aus den dargestellten und sich ergänzenden Zugangsweisen ergibt sich nun für das moderne Traumverständnis folgende Basis:
Das Traumgeschehen selbst ist physiologisch rechtshemisphärisch dominiert:
   
 
Sämtliche Traumbilder und -geschehen ereignen sich deshalb so -und nicht anders- da diese der ureigenen Emotionalität entspringen.
   
 
Im Unterschied zum Wachbewußtsein, wo die faktische Gegebenheit der Welt durch den Eindruck in den Menschen „hineinwirkt“, ein Gefühl entstehen läßt, dessen Inhalt in Folge ihn als Antwort zum Handeln bewegt, ist es im Traum die Emotionalität, die für die Inhalte die erforderliche Welt auf dem Hintergrund der biographischen Erfahrungen hierfür entstehen läßt, „schöpfend hervorbringt“.
   
 
Ein Spiel als Übung für bewußte Erfahrung vorhandener Kreativität in der Traumschöpfung:
Stellen Sie einer Person eine Frage, mit der Bedingung, von „Ja oder Nein“ als Antwort Abstand zu nehmen und statt dessen mit einer Geschichte zu antworten.
   
 
Im Wachbewußtsein ist die Bedeutung von Emotionalität weiterführend, deren Inhalt und Stellungnahme für den Ausdruck, der Selbsttranzendenz, entscheidend. „Was halte ich davon? Finde ich meine/ od. die andere Handlung für richtig?“ bietet die Eröffnung zur inneren dialogischen Auseinandersetzung aus der persönlichen Stellungnahme und kann neben einem Traumverständnis im Leben richtungsweisende Alternativen erschließen.
   
 
Der Zugang für das Verständnis des Traumes bedarf der Grundhaltung von Selbstdistanzierung: In phänomenologischer Position als dereflektorischer Versuch, eigene Interpretationen, Deutungen oder Annahmen auszuklammern zugunsten von wert- und urteilsfreiem SCHAUEN als Wahrnehmung von Da-seiendem.
   
  Ausblick auf die konkrete Traumarbeit
   
 
Um den Menschen nicht auf seine Physiologie (Freud) oder auf die Soziologie (Adler) zu reduzieren, sondern ihn in allen Dimensionen zu erfassen, bedarf es seiner Geistigkeit ansichtig zu werden. Erst diese erschließt im Menschen die Person und deren Einmalig- und Einzigartigkeit ihres Daseins. Die Person ist das Geistige, das Freie, das, was in mir „nein“ sagen kann.
   
 
In einer Übersicht zeigen sich in den „Wiener Schulen“ die sich ergänzenden anthropologischen Konstellationen:
   
  1. Freud: "Mensch Welt"
  2. Adler: "Mensch Mitmensch(en)"
  3. Frankl: "Person Dasein (Seiendes)"
   
 
Diese Grundkenntnisse eröffnen folgende Kriterien für das Verstehen der Bedeutung eines Traums, wofür es die phänomenologische Übung als Annäherung braucht:
   
 
1. Wie zeigt sich die Welt?
Aber ebenso: Was fehlt (mir) im Traum?
   
 
2. Wie zeigt sich die Sozietät?
Was sind die Bedingungen od. Voraussetzungen für das Ereignen des Geschehens?
   
 
3. Welche „Antworten“ gebe ich?
Wie vollziehe ich diese?
   
 
1. Welche Emotionalität, Atmosphäre, Stimmung ist spürbar gegeben?
 
Welche Bedeutung ergibt sich daraus für die Person im Wachbewußtsein?
   
 
Die Berücksichtigung der anthropologischen Prämissen eröffnet für die Annäherung an das Traumverständnis in Selbstdistanziertheit die phänomenologische Grundhaltung. Als unumgängliche Bedingung stellt sich die vorurteils- und vorstellungsfreie Annäherung als Übung. Selbst die dabei sich eröffnenden Fragen der Ethik oder eigener emotionaler Erschütterung bedürfen im Akt des Schauens einer radikalen Hintanhaltung zugunsten des sich offenbarend Daseienden.
Häufig zeigt sich im Traum das Problem struktureller Aufhebungen, z.B. von Zeit, Ort, gewohnten Umgangsarten, Verhaltensweisen, etc., Phänomene, denen wir im Wachbewußtsein nicht mit der gleichen Selbstverständlichkeit begegnen und deren Verwirrung der phänomenologischen Schau entgegenwirken kann. Wie bereits Sigmund Freud aufzeigen konnte, ist jegliche bewußte Traumwahrnehmung lediglich als Fragment des Traumgeschehens anzusehen, wodurch eine Annäherung sowohl im Detail als auch im gesamten Eindruck, im Sinne einer Traumübersicht als eigene Gegebenheit möglich ist.
   
 
Zum Phänomen der Aufmerksamkeit ist noch hinzuzufügen, daß einfach durch das Vorhaben vor dem Einschlafen, sich den Traum zu merken, dies sich nach wenigen Versuchen bereits mühelos bewerkstelligen läßt.
   
 
So weiß der Talmud, die Sammlung der Gesetze und Überlieferungen, zu berichten:
   
 
„Jeder Traum ist der ungeöffnete Brief meines Engels an mich“.
   
 
Beitrag zur praktischen phänomenologischen Übung:
   
  (Traumbeispiel: Nr.1)
   
 
„Mir träumte, ich liege in meinem Zimmer auf dem Bett und lese eine Zeitschrift. Da klopft jemand an meiner Türe. Ich ignoriere das einfach. Das Klopfen will aber nicht enden, im Gegenteil, es wird immer stärker und als ich den Kopf zur Tür wende sehe ich, daß sich diese zu biegen beginnt, was mich heftigst erschreckt“.
   
  1) Wie zeigt sich die Welt?
   
 
Die Person befindet sich in ihrem Privatbereich. Ein eigenes Zimmer ist etwas anderes als beispielsweise ein fremdes Zimmer oder eines in einem Hotel. Anderseits unterscheidet sich wiederum das erwähnte Zimmer schon in der Geräumigkeit zu einer eigenen Wohnung. Ist ein jeder Raum selbst der Welt zugehörig, so bleibt hier bestehen, daß dieses „eigene Zimmer“ in unmittelbarem Zusammenhang und in seiner konkreten eigenen Bedeutung für die träumende Person als solches zur Verfügung steht, wobei es sich im Traum als exakt abgegrenzt zeigt. Unerwähnt bleibt z.B. die Existenz von Fenstern, falls solche im Traum überhaupt vorhanden sind, als Phänomen von Weltoffenheit und Weltverbundenheit.
   
 
Als Verbindung der verfügbaren,„eigenen Welt“ zur„öffentlichen, allgemeinen Welt“ findet sich als einzige örtlich-weltliche Gegebenheit eine Türe, in Form der vorhandenen Innenseite, die der träumenden Person ihre Weltoffenheit und Weltzugang ermöglicht.
   
  2) Wie zeigt sich die Sozietät?
   
 
Die Person ist alleine. Das Allein-Sein ist in diesem Traum eine weitere Bedingung für die Emotionalität wie für das Phänomen Gelassenheit, welche erforderlich ist, um eine Zeitschrift lesen zu können.
Einer Zeitschrift ist an sich die Mittelbarkeit der Welt eigen und sie unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht z.B. vom Fernsehgerät, Musikanlage oder von einem Tagebuch. Das Lesen fordert allgemein vom jeweiligen Handelnden situativ vorhandene Gründe, konkret im Traum die, welche zur Entscheidung der Bevorzugung einer Zeitschrift führten.
Das Allein-Sein erfährt im Traum keinerlei Einschränkung, z.B. durch die Anwesenheit eines Bekannten, eines Familienmitglieds, eines Mitbewohners in einem Nebenzimmer oder eines Haustiers.
   
 
Im Traum ereignet sich zwischenmenschliches Geschehen lediglich nur als „physikalisches“ Ereignis einer akustischen Wahrnehmung, konkret eines diffusen Anklopfens, mit den gegebenen Charakteristika fehlender Leiblichkeit und Personalität.
   
  3) Welche Antworten erfolgen?
   
 
Diese im Traumgeschehen zum Ausdruck gebrachte Form des Daseins bereitet vorerst dem/der TräumerIn keinerlei Unbehagen. Das Liegen auf dem Bett ist an sich eine Zuständlichkeit der Entspannung, die sich im Traum vorerst als Atmosphäre der Ruhe zu erkennen gibt.
Erst das Klopfen an der Türe, eine Gestik des Wunsches nach Beziehungsaufnahme, verändert das emotionale Gleichgewicht. Besteht bis dahin eine ungestörte Gelassenheit, so versucht die träumende Person diese ebenso wie die gegebene Unabhängigkeit zu wahren. Die mögliche Kontaktaufnahme lehnt diese ab, bevorzugt die situative Unberührbarkeit und will diese ihrem Wunsch gemäß erhalten. Diese Handlung wird vollzogen, indem die Person das von der Welt her stammende und nur als akustisch vernommene Ereignis und dessen immanente Möglichkeiten zu ignorieren sucht.
   
 
Die sich anbietende Sozietät und deren immanente Lebensmöglichkeiten erfahren im Traum durch den Versuch der Beibehaltung des Wunsches nach Ungestörtheit eine Ablehnung, werden also entschieden verneint.
   
 
4. Welche Emotion, Stimmung und Atmosphäre wurde im Traum spürbar?
   
 
Gibt der Traum selbst über die vorhandenen Stimmung beim Lesen der Zeitschrift keine klare Auskunft, so zeigt erst das weitere Geschehen das vorerst vorhandene Grundgefühl von Sicherheit. Die Person im Traum registriert das Klopfen an der Türe, welches ihre Aufmerksamkeit, begrenzt auf das Hören, kurz in diese Richtung lenkt, um selbstsicher wieder zum Lesen der Zeitschrift zurückzukehren. Die Entscheidung zur Ignoranz geschieht in der träumenden Situation wie selbstverständlich und ohne zur Frage gestellt zu werden, was darauf hinweist, daß die diesbezügliche Entscheidung nicht aus der Situation erwachsen ist, sondern zeitlich bereits vor dem konkreten Träumen gefallen ist.
Dem Klopfen an der Türe als Akt ist immanent, daß eine Achtung des Privatbereichs durch Andere der träumenden Person als eigene Erfahrung bekannt ist. Dieser Erfahrung wird auch im Traum als bestehende Verläßlichkeit in Gewißheit vertraut. Der folgende Versuch der Aufrechterhaltung der Ignoranz, welche an sich eine aktive Bemühung ist, reicht nicht aus, um die intendierte und gewünschte Zielsetzung der Ungestörtheit und Gelassenheit zu erreichen. Vorerst in passiver Haltung der Welt gegenüber antwortet die Person dem Angesprochenwerden durch das Klopfen durch Abwendung ihrer Aufmerksamkeit zugunsten der Tätigkeit des Lesens der Zeitschrift.
Die emotionale Wirkung des andauernden Klopfens vermag schließlich die träumende Person zu motivieren. Über die akustische Wahrnehmung hinausgehend, läßt die Person der Situation ihre Beachtung zukommen, indem sie sich noch mit einem weiteren Wahrnehmungssinn sehen zuwendet. Sehen unterscheidet sich qualitativ und quantitativ vom Schauen, welches das Verweilen und Wirken-lassens des zu Betrachtenden intendiert. Als aber die Person bereits in Richtung des Klopfens sieht, erschrickt sie heftig.
Erschrecken ist an sich getragen von der Berührung einer unerwarteten, potentiellen Gefährdung. Als solches ist es ein Geschehen des Impulses, der als antwortender Reflex psychisch der Angst zugehört und konträr zum Vertrauen steht. Je nach Intensität bringt die Angst Gelassenheit und Sicherheit zum Verblassen. Das Erschrecken im Traum erfolgt jedoch unter der Bedingung des Fehlens einer situativ realen Bedrohung. Im Traum bezieht sich dieses daher alleine auf die sich biegende Türe, die Erkenntnis, daß durch die „Biegung“ die Grenze des selbstbestimmten und entschieden-abgegrenzten Weltbereichs bereits überschritten wird.
   
 
Worüber erzählt dieser Traum und
welche Bedeutung ergibt sich aus dem Trauminhalt für das Leben der träumenden Person?
   
 
Aus der phänomenologischen Betrachtung wird ersichtlich, daß bei der träumenden Person das Erleben der Erwartung einer nicht näher zu definierenden Bedrohung auf den Versuch einer Beziehungsaufnahme der Welt, konkret in der Sozietät, sich begründet. Der gestaltete Umgang, die Entschiedenheit zur Ignoranz als Vermeidung einer Konfrontation, droht zusätzlich zu scheitern, welches als psychische Belastung mit einer Form von Angst, einem heftigen Erschrecken, einhergeht.
   
 
Der Angst selbst ist immanent, daß sie der Person dienen kann, das zutiefst werthafte dynamisch zu schützen. Sind diese Inhalte im Traum potentiell also bereits existent, so sind diese der träumenden Person seins- und erlebnismäßig im Sinne ihrer Offenheit noch nicht als von sich selbst ausgehend bewusst: Für die Antwort erachtet die Person die Wunschhaltung in Ruhe gelassen zu werden als vorrangig, erkennbar durch das Fehlen der innerweltlichen Wahrnehmung als Fühlen möglicher Gründe, die „Anklopfen“ bedingen, wodurch dieses nur als Einflußnahme auf die Befindlichkeit und als psychische Belastung erlebt werden kann.
   
 
Jedoch jener Inhalt, welcher im Traum als auch im Leben zwar noch außerhalb der Verfügbarkeit der träumenden Person liegt und dabei die Grenze einhaltend trotzdem unbedingt und drängend „herein will“, ist zum Zeitpunkt des Träumens nicht mehr gelingend ignorierbar, ist bereits unüberhörbar und unübersehbar geworden.
   
 
Auch wenn die beginnende Beziehungsaufnahme mit Unbekanntem und daher Unvertrautem durch dessen mögliche Gefährdungen von Ängsten begleitet ist, liegt darin potentiell die Eröffnung neuer, bisher ungelebter Lebensvollzüge.
   
 
© Dr. Helmut Windisch, Psychotherapeut, Existenzanalytiker & Logotherapeut,
Eduard Sueß-G. 10, 1150 Wien, Österreich
Tel.: 01/ 789 80 90, E-Mail: hwindisch@existenzanalyse.org
   
  Anhang
   
 
Voranmerkung: Bei einigen der folgend dargestellten Traum-Beispiele handelt es sich um aufgezeichnete Träume in der Arbeit mit KlientInnen. Im Sinne der Wertschätzung der jeweiligen Personen ist ohne Einwilligung des Autors jede Publikation oder öffentliche Bezugnahme auf die folgend dargestellten Träume ausdrücklich untersagt.
   
 
Traumbeispiele:
   
 
1) „Mir träumte, ich liege in meinem Zimmer auf dem Bett und lese eine Zeitschrift. Da klopft jemand an meiner Türe. Ich ignoriere das einfach. Das Klopfen will aber nicht enden, im Gegenteil, es wird immer stärker und als ich den Kopf zur Tür wende sehe ich, daß sich diese zu biegen beginnt, was mich heftigst erschreckt“.
   
 
2) „Ich bin mit meiner Schwester und meinem Schwager beim Picnic und wir unterhalten uns. Bei Sonnenuntergang an einen Baum gelehnt blicke ich auf die prärieähnliche Wiese. In weiter Entfernung äst friedlich eine Herde wilder Büffel, denen ich dabei zuschaue. Plötzlich beginnen sich die Büffel zu formieren und meine Schwester und mein Schwager sind nicht mehr da. Da beginnen die Büffel in meine Richtung loszustürmen. Erschrocken springe ich auf und ergreife kopfüber die Flucht.“
   
 
3) „Ich reite mit einer Karawane durch die Wüste. Als wir das Abendlager aufschlagen, läßt mich der Karawanenführer zu sich holen und deutet mir durch eine Geste, ihm zu den daneben liegenden Klippen zu folgen. Dort angekommen zeigt er in den Abgrund und befiehlt mir wiederum mit einer Geste zu springen. Sofort folge ich seinem Befehl, halte mich aber in letzter Sekunde am Klippenrand fest.“
   
 
4) „Bin auf der Flucht, wobei ich meine Verfolger noch nie gesehen habe. Laufe nach Leibeskräften über eine Wiese. Plötzlich stelle ich fest, daß die Wiese sich zu einer Sumpfwiese ändert. Mit jedem Schritt zeigt sich unter dem Gras mehr an Matsch, bis ich auf einmal in einem Tümpel lande. Voller Panik bemerke ich, daß ich zu sinken beginne, doch da spüre ich mit den Füßen einen Granitfelsen, der mein Ertrinken verhindert.“
   
 
5) „Mühselig und wie eine Last tragend, schleppe ich mich durch kleine enge Gassen einer mir unbekannten Stadt. Die Menschen bereiten gerade ihren Ernteertrag für den Transport zum Markt zu, während ich auf einen am Platz geparkten alten verrosteten LKW zugehe. Neugierig schaue ich beim Fenster hinein, da bemerke ich, daß ich bereits drinnen sitze und der Motor läuft.
Zuerst fahre ich gemächlich ein Stück durch die Stadt, dann auf die Autobahn, wo ich zunehmend Lust am Fahren verspüre und in zunehmender Geschwindigkeit alle überhole, schließlich ohne Grenzen, in einem Taumel von Kraft und in völliger Sorglosigkeit beginne ich dahinzurasen.“
   
 
6) „Ungewöhnlicherweise verabredeten sich 5 Kollegen und der Chef zu einem Schiausflug. Ich bin der Fahrer des 4 WD, ähnlich einem Militärfahrzeug. Mit Schneeketten ausgestattet fahre ich die Gruppe durch die schneebedeckte Landschaft. Bei einem Abhang kommt das Auto zunehmend ins rutschen, Lenkung und Bremsen beginnen zu versagen und ich wache schweißbedeckt auf.“
   
 
7) „Ich bin in einem Museum, in dem eine Raumskulptur installiert ist. In einem großen geschwungenen Plexiglasbecken, gefüllt mit blaugefärbtem Wasser, treiben einige Männerleichen im Kreis. Im Hintergrund höre ich, vermutlich über Lautsprecher, ein leises Plätschern. Die Skulptur hat mir noch immer gefallen, als ich aus dem Museum rausgegangen bin“
   
 
8) Serientraum: (über Jahre hinweg, bis zu 3x wöchentl.)
„Liege in meinem Bett und fühle mich wohl. Da kommt ein mir unbekannter Mann ins Zimmer, bleibt zuerst wortlos im Türstock stehen, dann kommt er näher und setzt sich ebenso wortlos auf die Bettkante.
Anschließend hebt er ein wenig die Bettdecke auf, tastet mit seinen Händen über meinen Körper und berührt andauernd meine Brüste und meine Schamgegend “.
   
 
9) „Schaue zum blauen Himmel. Da nähert sich ein riesiges UFO und senkt sich direkt vor mir herab. Es ist relativ flach und rund, wobei es rundherum beleuchtet ist. Mich beeindruckt, daß es sich beim Landeanflug leicht und quer um seine Achse dreht. Freue mich schon auf die bevorstehende Begegnung.“
   
 
10) „Stehe im Badezimmer neben einer jungen nackten Frau, die sich im Waschbecken ihre langen Haare wäscht. Ich ergreife sie im Nacken und tauche sie mit dem Kopf in das Waschbecken, bis sie ertrunken ist. Das alles war mühelos und ganz leicht.“
   
  Glossar
   
  Logos = der Wert, der Sinn, der Grund
  Sinn = sinnan = der Weg
  existere = heraustreten
 
Existenz = das, was der Mensch zum Ausdruck, in die Welt bringt.
 
Person = das Freie im Menschen, das in mir, was „nein“ sagen kann.
 
Dialog = „Dia“= schauen, „-log“ von logos = Sinn, Wert, = Gemeinsames Schauen der/des Werte(s).
  Instinkt = instinktere = „vom Ursprung her“
 
Anthropologie = Wissenschaft vom Menschen, (auch als Überbegriff aller Humanwissenschaften verwendet)
  Ontologie = Lehre vom Sein
   
  Phänomenologie:
 
Zur gleichen Zeit wie die von Freud herausgegebene Arbeit „Die Traumdeutung“ publizierte der Philosoph Edmund Husserl sein epochales Werk über die Grundhaltung und Methode der „wert- und urteilsfreien“ Betrachtung. Der Versuch „Hin zu den Sachen selbst“ (Husserl) als Schauen und Eröffnung der Erfahrung von Bedeutung und des Erlebens von Daseiendem und des daseins.
   
 
Literaturnachweis und weiterführendes Literaturverzeichnis
   
 
Adler, Alfred „Individualpsychologie“, „Neurosen“, „Der Sinn des Lebens“
  Allers, Rudolf „Das Werden der sittlichen Person“
 
Boss, Medard „....es träumte mir vergangene Nacht“, „Praxis der Psychosomatik“
  Buber, Martin „Das dialogische Prinzip“
 
Chardin, T. de „Aufstieg zur Einheit“, “Der Mensch im Kosmos“
  Dick, Philip K. „Ubik“
  Drewermann, E. „Gespräche über die Angst“
  Eccles, John „Wie das Selbst sein Gehirn steuert“
 
Freud, Sigmund „Die Traumdeutung“, „Das Unbehagen in der Kultur“, „Der Witz und seine Beziehung zum Unbewußten“
 
Frankl, Viktor „Der Wille zum Sinn“, „Ärztliche Seelsorge“, „Das Leiden am sinnlosen Leben“, „Theorie und Therapie der Neurosen“, „Der unbewußte Gott“, „Der leidende Mensch“
 
Fromm, Erich „Aggression und Destruktivität“, „Haben oder Sein“
 
Funke, Günter „Die Stellung der histrionischen Person im Traum“, Seminar (unveröff.)
  Henry, Michel „Radikale Lebensphänomenologie“
  Heidegger, Martin „Die Zollikoner Gespräche“
  Kathan, Ruth M. „Die narzißtische Persönlichkeitsstörung“
 
Kunert, Rudolf „Aggression im Traum“, in „Voitsberger Manuskripte“
 
Kühn, Rolf „Sinn-Sein-Sollen“, „Existenz und Selbstaffektion“
  Längle, Alfried „Die personale Existenzanalyse“
  Lèvinas, Emanuel „Die Spur des Anderen“
  Nietzsche, F. „Jenseits von Gut und Böse“
 
Yalom, Irvin D. „..und Nietzsche weinte“, „Existentielle Psychotherapie“
  Watzlavick, Paul „Die Möglichkeit des Andersseins“
   
 
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